Röhrengrüße aus Moskau

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Röhren sind out? Warum wurden sie dann noch mindestens bis in die 80er Jahre gebaut? Weil sie im Falle eines Falles nicht so schnell sterben wie Transistoren. Gerade habe ich mir ein paar russische Röhren gekauft. Es sind die sparsamen Batterieröhren 1SH24B und 1SH29B. Da muss doch gleich mal was ausprobiert werden!

Ein Blick ins Innere der Röhren zeigt ein ganzes Bündel längs verlaufender Drähte. Und das soll funktionieren? Alles was man mal über den Aufbau von Röhren wusste, scheint hier nicht zu stimmen. Kein Spanngitter aus extrem feinen Drähten und geringstem Abstand zur Kathode, kein konzentrischer Aufbau, kein Anodenblech. Der Anodenanschluss ist übrigens oben, gab es das nicht schon mal?

Im Internet konnten die Daten der Heizung gefunden werden: Bei der 1SH24 (HF-Pentode) 1,2V/13mA, bei der 1SH29 (Universalpentode mit Pa=1,2W) 1,2V/64mA oder 2,4V/32 mA. Ein erster Versuch mit der 1SH29 zeigte sehr brauchbare Daten: Bei Ua=Ug2=40V war der Anodenstrom 3 mA. Gitter 1 wurde dabei auf die Spannung des negativen Heizanschlusses gelegt. Die Steilheit war etwa 1mA/V. Die Röhre kommt auch mit weniger Anodenspannung aus, aber dann nehmen Anodenstrom und Steilheit stark ab.

Mit der Lupe wurde versucht, den Aufbau zu verstehen. In der Mitte ist ein dünner Heizfaden gespannt (bei der 1SH29 zwei), das ist die direkt beheizte Kathode. Alle anderen Elektroden bestehen aus Draht von ca. 1mm Durchmesser, wobei Gitter 1 und Anode etwas platt gewalzt sind. Wenn ich es richtig verstehe, wird hier ein gebündelter Elektronenstrahl auf die Anode gerichtet. Deshalb funktioniert es trotz des einfachen Aufbaus sehr gut.

Klar, irgend etwas muss jetzt gebaut werden. Damit es nicht so aufwendig wird, am besten ein Quarzoszillator. Da kann die Röhre zeigen, was sie schafft.

Tatsächlich, es funktioniert! Ab einer Betriebsspannung von 12 V schwingt der Oszillator. Bei höheren Spannungen steigt die Amplitude. Fertig ist der Röhrensender! Und die Betriebsspannung? Am besten ein NiCd-Akku für die Heizung und zwei oder mehr 9-V-Blockbatterien für die Anodenspannung.

Erfinder und Ingenieure
verließen sich auf die Röhre.
(Dietrich Drahtos)

Übrigens: Die Röhren stammen von Pollin-Electronic und sind extrem billig. Ich habe ein Sortiment mit 20 gemischten Röhren für unter 10 DM bekommen. Die meisten waren Batterieröhren. Jedenfalls habe ich jetzt genug Röhren auch für größere Projekte wie Kurwellen-Doppelsuper mit 15 Kreisen und BFO. Nur für den röhrenbestückten Motorrad-Bordcomputer braucht man noch ein paar Hundert mehr.

Große Röhrenübersicht (siehe z.B. 1J29B): www.ginko.de/user/franz.hamberger/roehren/pentoden.html
Ein komplettes russisches Datenblatt findet man bei Jogi: www.jogis-roehrenbude.de


Nachtrag: Spannungswandler

Nicolai Sawilla berichtet: Eine kleine Schaltung bestehend aus Joule-Thief (ähnlich dem LED-Spannungswandler), Gleichrichter und Glättkondensator, kann dazu verwendet werden eine hohe Gleichspannung zu erzeugen, ausreichend um kleine Röhren zu versorgen. Wenn man sich dann auch noch z.B. auf russische Batterieröhren beschränkt, kann man mit einer einzelnen 1.5-V-Zelle einen kompletten Röhrensender betrieben! (Erfolgreich getestet)

Nachtrag: Ein AM-Sender

Andreas D. schreibt: Eine weitere Anwendung der 1SH29B: im Moment läuft sie als MW-Oszillator mit 25 V Anodenspannung. Als Schaltung verwende ich die aus Physikbüchern (ich bin Schüler, 12.Jhg, Physik LK...) bekannte Dreipunkschaltung. Kondensator und Spule sind auf MW abgestimmt, der Rest ist typisch. Als nächstes werde ich mich mit der Modulation beschäftigen müssen - bis jetzt habe ich nur ein Rauschen (mehr oder weniger), wenn ich mein Radio auf die Frequenz abstimme.

-Hurra! Moment, ... geschafft! als Modulator schleife ich in die Anodenleitung die Mikrofonkapsel eines alten Telefons (KOHLEmikro!) ein. Durch die Stromschwankungen moduliere ich die Sendeleistung. Das ist so zwar alles nicht ganz ok, aber es klappt.

Eine kurze Schaltungsbeschreibung: Röhre 1SH29B als Triode geschaltet. Heizung mit ca. 2V, Gitterwiderstand 10k, Gitterkondensator 100n, Schwingkreiskondensator: Mittelwellendrehko 500p, Schwingkreisspule: Gewickelt auf Ferritkern 8mm Durchmesser, 5cm Länge 120 Wdg., Anzapfung in der Mitte, Kohlemikrofon als veränderlicher Widerstand in der Anodenzuleitung

Eine kurze Funktionsbeschreibung: Die Schwingung im Schwingkreis wird durch die Röhre unterstützt, indem sie immer dann Strom in den Schwingkreis fließen lässt, wenn das Gitter "etwas weniger negativ" (eine gewisse Negativität wird durch den Gitterwiderstand garantiert) wird, bedingt durch die HF-Schwingung, für die der Koppel-C kein Hindernis ist. Ohne das Kohlemikro kann man den Sender zwar mit 'nem Radio finden, allerdings hört man "nichts" - wirklich nichts, auch kein Hintergrundrauschen mehr. Ansonsten ist er nicht erkennbar (freilich nicht für die Messwagen der Post - ein Wort, 3 Silben: Kreuzpeilung !). Die Reichweite macht mir Sorgen... 100m durch mehrere Wände hindurch...mit einer 10cm-Antenne! An Freiluftversuche möchte ich da gar nicht erst denken...

Da ich dann doch zumindest ein bisschen Modulation haben wollte fiel mir das alte Kohlemikro aus einem Telefon ein - perfekt. Die Kohlekörnchen ändern mit den Schwingungen ihren Durchgangswiderstand - und modulieren auf diese Weise die HF-Schwingung. Jetzt kann man entweder über akustische Kopplung oder direktes Reden "senden" - bzw. feststellen, wie weit gesendet werden kann. - Beängstigend weit.


Nachtrag: Anschlussbelegungen der 1SH17B bis 1SH29B


Quelle: Das große Röhern-Taschenbuch von Wilhelm Beier, Franzis 1998,


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