Start Vorwort Inhalt Neues Leserbriefe

Das Drahtlos-V2-Projekt

Teil 3, Der Durchbruch

zurück
weiter

Der V2 funktionierte zwar schon ganz ordentlich, aber eben nicht so überzeugend wie der legendäre Verstärker der Heißen Röhren. Irgend etwas muss da anders gewesen sein. Allein kamen wir nicht mehr weiter. Deshalb fragten wir Piet Copper, ob er uns einen ganz kurzen Blick in die Notizbücher des Herrn Drahtlos erlauben würde. Aber da war natürlich wieder nichts zu machen. Die Bücher sind ja besser bewacht als Kronjuwelen der Königin von England! Also haben wir seine Frau Nelli gefragt. Sie sagte uns, sie könne sich zwar noch an jeden einzelnen Widerstand in jedem der Verstärker V2 bis V6 erinnern. Aber mit unserem Projekt wolle sie absolut nichts zu tun haben. Einen größeren Schrotthaufen als unsere Keksdose habe sie überhaupt noch nicht gesehen. Allein schon die Kathodenwiderstände von über zwei Kiloohm würden ja durch ihre Gegenkopplung den gesamten Verstärker versauen. Wir sollten ihrer Meinung nach besser die Finger davon lassen. Danke Frau Copper, das mit den Widerständen könnte der entscheidende Tipp gewesen sein.

Für die weitere Entwicklung liehen wir uns einen alten Oszillographen und einen Sinusgenerator. Der Verstärker bekam einen Lastwiderstand von 6,8 Ohm am Ausgang. Dort konnte man dann die Ausgangsspannung messen. Dann wurde dies und das ausprobiert. Zuerst schalteten wird jeweils 2,7 kOhm parallel zu den alten Kathodenwiderständen. Damit steigt schon mal der Anodenstrom der Röhren. Da das noch nicht reichte, wurde noch jeweils ein Elko mit 47 Mikrofarad parallel gelegt. Das Ergebnis: Wesentlich mehr Verstärkung und Ausgangsleistung. Und weil es so gut lief, wurden gleich noch die Widerstände an den Schirmgittern verkleinert, 390 Ohm für die PL504 und 68 Ohm für die PL36. Ergebnis: Noch mehr Power.

Allerdings tauchte jetzt ein neues Problem auf: Der Verstärker neigte zu wilden Schwingungen. Was tun? Ein Vergleich mit anderen Verstärkerschaltungen aus dem Internet (z.B. www.classicdigital.de oder www.jogis-roehrenbude.de) zeigte, dass immer zusätzliche Widerstände von z.B. 1 kOhm direkt an das Steuergitter gelegt wurden. Das können wir auch, zur Sicherheit nahmen wir gleich 5,6 kOhm. Aber es gab immer noch Probleme mit Hochfrequenzschwingungen. Sie traten dann öfter auf, wenn das Eingangskabel näher bei den Endröhren lag. Dagegen halfen dann zusätzliche Kondensatoren von 390 pF parallel zu den Eingängen der Endröhren. Zusätzlich nahmen wir die Verstärkung wieder etwas zurück, indem in Reihe zu den Kathoden-Elkos Widerstände von 68 Ohm (PL36) und 150 Ohm (PL504) geschaltet wurden. Damit wurde anscheinend auch die unterschiedliche Verstärkung der Endröhren etwas ausgeglichen. Mit all diesen Änderungen sah das Ergebnis am Oszillographenschirm schon sehr brauchbar aus.

Der erste Test mit einem Diskman am Eingang und einem mittelgroßen Lautsprecher am Ausgang hob uns fast aus den Schuhen. Schon vor dem Einschalten des Players war ein leises Brummen zu vernehmen, mit dem sich der V2 bemerkbar machte wie ein Turnierpferd, das vor dem Start nervös mit den Hufen scharrt. Dann wurde langsam aufgedreht. Schon bei halber Lautstärke lieferte der Verstärker einen satten Klang. Aber dann gaben wir Vollgas: Ein unbeschreiblicher Lärm, extreme Verzerrungen und eine kleine Rauchwolke aus dem Lautsprecher. Der Fall war klar: Zu diesem Verstärker passt nur ein extrem großer Lautsprecher.

Leistift ließ sich mühsam überreden, eine seiner großen Nobelboxen zu testen. Und da war er, der wilde Klang der 60er Jahre! Elvis Presley dröhnte aus dem Lautsprecher wie ein Orkan. Die Musik erhielt eine besondere Note, wenn der Verstärker in die Grenze der Aussteuerung kam. Nach einiger Zeit glaubten wir das Geräusch zerberstender Holzstühle am Ende eines Konzerts der Heißen Röhren zu hören. Ein voller Erfolg!

Eigentlich ist der V2 jetzt fertig. Zwar wissen wir nicht, wie der originale V2 damals geklungen hat, aber wir sind vollauf zufrieden. Wir haben uns vorgenommen, die elektrische Sicherheit zu verbessern, damit auch der Herr vom VDE wieder gut schlafen kann. Und außerdem muss noch ein Gehäuse besorgt werden. Wir haben schon intensiv nach kleinen, gebrauchten Lederkoffern gesucht. Nur sind die leider alle zu schmal. Da müssten wir uns von der Keksdose trennen und ein völlig neues Chassis bauen. Aber wollen wird das? Eigentlich sind wir inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass eine Keksdose immer schon das ideale Chassis für einen Röhrenverstärker war.

zurück
weiter